Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Thoraxchirurgie und Proktologie
Direktor Prof. Dr.med. Günther Winde
Medizinische Versorgung, Lehre und Wissenschaft sind durch Forschungsprojekte untrennbar verknüpft: Im operativen Bereich sollen unsere Forschungsprojekte die Sicherheit des Patienten stärken, bewährte Konzepte in der Chirurgie erweitern und diversifizieren helfen und durch molekularbiologische Forschung im Verbund mit der Grundlagenforschung der RUB und anderer Universitäten den Einsatz der Chirurgie präzisieren.
Es ist möglich die Klinik pauschal oder einzelne Projekte aus den nachfolgenden Beispielen gezielt zu unterstützen:
Projekt virtuelles Operieren - sehen Frauen schlechter 3D ?
Die klassische Chirurgie hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert und mit ihr auch die Anforderungen für die Ausbildung junger Assistenzärzte.
Die zumeist am offenen Situs durchgeführte Viszeralchirurgie ist immer mehr zu laparoskopischen Operationsmethoden übergegangen. Dort sind nun ganz andere Fähigkeiten gefragt, wie ein räumliches Sehen und Vorstellungsvermögen, sowie Fingerfertigkeit. Daher sind immer mehr Laparoskopietrainer auf dem Markt um die Ausbildung der jungen Chirurgen zu verbessern.
Doch es stellt sich die Frage, ob ein einheitliches Lernprogramm auch auf alle Personen anwendbar ist.
Besonders Frauen wird unterstellt ein vermindertes räumliches Vorstellungvermögen zu besitzen. Hieße dieses im Umkehrschluss, dass Frauen ein ganz anderes Ausbildungsprogramm für eine erfolgreiche operative Karriere benötigten!?
Auch zeigten eigene Beobachtungen beim Training mit Studenten an Laparoskopietrainern erstaunliche Unterschiede in der Schnelligkeit im Erlernen der Fertigkeiten.
Eine stichprobenartige Befragung zeigte, dass besonders Personen mit einem hohen Gamingverhalten schnell die laparoskopischen Fähigkeiten erlernt haben.
Dies ließ uns die Hypothese aufstellen, dass ein hohes Gamingverhalten eine gute Grundlage für eine erfolgreiche chirurgische Karriere bietet und gegebenenfalls in der heutigen Zeit, in der Studenten mit Playstation und Nintendo aufgewachsen sind, eine große Rolle spielt.
Eine Studie am LapSim Trainer mit Probanden ohne Laparoskopieerfahrung soll zum einen zeigen, in wie weit das Gamingverhalten eine Rolle beim Erlernen von laparoskopischen Fähigkeiten spielt. Zum anderen soll untersucht werden, ob geschlechterspezifische Unterschiede im Lernerfolg vorliegen und ob ein geschlechterspezifisches Ausbildungskonzept erforderlich ist. Dazu werden geschlechtergetrennt verschiedene Gruppen von Probanden gebildet, die alle ein vorgegebenes software Modul absolvieren müssen. Die Messparameter können numerisch erfasst werden zum Vergleich zwischen den Gruppen, eine Anpassung des Tests an die Trainingssituation der Frauen ist möglich. Ziel wäre die Ausarbeitung spezieller Trainingskomponenten für die MIC-Ausbildung der Damen, sofern sich ein Unterschied nachweißen läßt.
Kosten für das Projekt entstehen durch die Probandenversicherung, Reisekosten zum Test und für eine studentische Hilfskraftstelle , ca. 35000 Euro
Projekt Polymorphismus im MTHFR Gen und seine Rolle in der Prognose der neoadjuvant behandelten Rektumkarzinome (Mastdarmkrebs)
Das Kolorektale Karzinom (KRK) ist mit über 73.000 Neuerkrankungen und ca. 27.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland einer der häufigsten malignen Tumore. Die neoadjuvante (präoperative) Radio-und Chemotherapie ist im UICC-Stadium II und III der Rektumkarzinome (Mastdarmkrebs) laut S-3 Leitlinie indiziert.
Als neoadjuvante Behandlung wird eine Therapie bezeichnet, meistens Chemotherapie und- oder Strahlentherapie, die zur Reduktion der Tumormasse vor einem geplanten operativen Eingriff durchgeführt wird. Durch die neoadjuvante Therapie kann eine Verkleinerung des Tumors erreicht werden mit dem Erfolg, dass eine Tumorentfernung doch noch möglich wird oder dass eine Verbesserung des onkologischen Ergebnisses erzielt wird. Der größte Vorteil einer neoadjuvanten Therapie wäre eine komplette pathologische Remission (CPR), als Status des fehlenden Tumornachweises. Eine CPR ist mit einer sehr geringen Lokalrezidivrate korreliert und zudem mit einem signifikant besseren metastasenfreies Gesamtüberleben.
Auch in unserem Patientenkollektiv zeigen sich einige Patienten (15 %), die nach der präoperativen Chemo-und Strahlentherapie, keinen Tumornachweis mehr hatten.
Eine Studie zeigt, dass die Veränderungen einer einzelnen Base (single nucleotide polypmorphism, SNP) im Methylentetrahydrofolat-Reduktase (MHTFR) Gen an Position 677 das Ansprechen auf die neoadjuvante Radio-und Chemotherapie vorhersagen kann und das Risiko der tumorfreien Zeit abschätzt (Nikas et al. 2015). Der Nachweis dieser Mutation im Gen könnte somit die Frage beantworten, ob die Mutation mit dem Regressionsgrad korreliert. Das kodierende Gen MTHFR wird vom Mensch in vielen Gewebetypen exprimiert und das Enzym ins Blut abgegeben.
Unabhängig davon werden die unterschiedlichen Mutationen im Bereich dieses Gens als ein Prognosefaktor für das tumorfreie Überleben bewertet. Diese Bestimmung der Mutation des MTHFR-Gens soll sowohl als ein Marker für
das Therapieansprechen als auch als ein Prognosezeichen dienen.
In dem vorgeschlagenen Projekt konzentrieren wir uns zunächst auf folgende
Punkte:
Aus der Patientengruppe des Darmzentrums der chirurgischen Universitätsklinik werden wir die Patienten mit neoadjuvant behandeltem Rektumkarzinom auf den MHTRF C667T SNP retrospektiv untersuchen.
Es werden aus unserer vorhandenen Datenbank die Patienten ausgesucht, die sich seit 2008 der neoadjuvanten Radio-und Chemotherapie unterzogen haben, und zur Blutentnahme eingeladen.Zur Bestimmung der Mutation reicht eine einfache Blutentnahme (EDTA- Röhrchen).Bei vielen Patienten kann die Entwicklung der Prognose auch jenseits der 5-Jahresüberlebenszeit-Grenze beurteilen.
Praktische Zielsetzung der Studie:
Durch die Bestimmung der Mutation im MTHFR-Gen könnte es möglich sein, die Einschätzung der Effektivität der sogenannten neoadjuvanten Radio-/Chemotherapie bei Rektumkarzinomen auf bestimmte Patientenuntergruppen zu reduzieren.In einigen Fällen könnte es sich ergeben, dass die Indikationsstellung der leitliniengerechten neoadjuvanten Radio- und Chemotherapie überflüssig ist, da sie nicht effektiv sein kann. Andererseits wäre auch denkbar, dass es zur Definition einer Patientengruppe kommt, die derart positiv auf die neoadjuvante Radio- und Chemotherapie präoperativ anspricht, dass auf die eigentliche Operation als Folge der Vorbehandlung verzichtet werden könnte.
Geschätzte Kosten der molekulargenetischen Untersuchungen ca.60000 Euro.
Projekt Peritonealkarzinose Therapieänderung
Die Bauchfellaussaat von Krebszellen (Peritonealkarzinose) ist eine äußerst ungünstige Entwicklung im Rahmen einer Krebserkrankung. Krebszellen sind im Bauchraum verstreut und wachsen auf den Bauchorganen und auf dem Bauchfell, sie verursachen oft Flüssigkeit im Bauchraum und auch Passagebehinderungen des Darms. Sofern diese Form der Metastasenbildung nur den Bauchraum betrifft und keine anderen sog. Fernmetastasen festgestellt wurden, dann ist für ca. 15-20 % dieser Patienten eine Sonderform der Operation mit zusätzlicher Chemotherapie während der Operation möglich, die sog. hypertherme intraperitoneale Chemoperfusionstherapie HIPEC. Die Überwärmung der Krebszellen während der Therapie im Bauch soll die Zellen empfindlicher machen für die Chemotherapie, die Operation verringert vorher die Krebsmasse.
Die Bewertung der Patienten, ob eine HIPEC möglich ist erfolgt für die Patienten in der Uni-Klinik für Chirurgie im Klinikum Herford. Ist ein Patient HIPEC-geeignet, so wird die Behandlung in der Charite in Berlin, unserem Kooperationspartner, durchgeführt. In vielen Fällen ist eine signifikante Verlängerung der Überlebenszeit erreichbar.
Was aber bleibt für die restlichen ca. 80 % der Patienten mit Peritonealkarzinose therapeutisch übrig: falls möglich gibt es die
normale Chemotherapie und Antikörper-Therapie, die Prognose darunter ist jedoch sehr schlecht.
Wir sehen eine mögliche Therapieänderung für diese nicht-HIPEC-Patienten mit der Entwicklung einer Therapie im Bauchraum des Patienten, wobei die Endringtiefe des Medikaments vergrößert werden soll,
so dass eventuelle auf die komplikationsträchtige Operation im Rahmen der HIPEC (zytoreduktive Chirurgie) verzichtet werden kann oder zumindest die Operation modifiziert wird.
Für diese Therapieentwicklung wird in jedem Fall ein Chemoperfusions-Pumpensystem beschafft werden müssen, die die Medikamente während der Operation in Narkose im Bauchraum umwälzt, so dass möglichst alle Bereiche des Bauchraums ausreichend mit der Flüssigkeit in Kontakt treten können.
Endpunkt der Studie ist die Verlängerung der Überlebenszeit und die Mitentwicklung eines Transportmediums für die Chemotherapie bei adäquater Lebensqualität.
Die Beschaffungskosten für das funktionfähiges Pumpensystem belaufen sich auf ca. 80000 Euro, ein Schlauchset kostet ca 1500 Euro. Es werden auch Kosten für die Studienversicherung entstehen und Kosten für die Ethikkommissionsarbeit.
Projekt LIMAX-Test und Lebervolumetrie
Die Einschätzung der Leberfunktion erfolgt durch Bestimmung einfacher Laborparameter, klinisch durch Untersuchung des Patienten und mit bildgebenden Verfahren (CT, MRT, Ultraschall). Die Aussagekraft dieser Laborwerte und die Bestimmung von Einzelfaktoren der Blutgerinnung ist nach Leberteilentfernung nur von geringem Wert. Die aktuelle Leberleistung kann nicht bestimmt werden. Viele Leistungsparameter der Leber werden trotz vorbestehender Lebererkrankung lange von diesem Organ kompensiert (z.B. CHILD-A-Zirrhose).
Warum Leberfunktionstests so wichtig sind?
Die Häufigkeit von Leber- Tumoren ist ansteigend, die chirurgische Therapie ist in den meisten Tumorfällen einziger kurativer Therapieansatz. Die vollständige Entfernung des Tumors ist das primäre Ziel der OP. Hohe chirurgische Radikalität ist daher verbunden mit einem niedrigen Restlebervolumen (Gefahr des postoperativen Leberversagens).
25% Restlebervolumen beim Lebergesunden sind ausreichend für die normalen Körperfunktionen. Aber was ist der Fall bei vorerkrankten Lebern wie z.B. bei chronischer Leberzirrhose, Leber-Fibrose und NASH oder NAFLD?
Eine Volumen-Funktionsplanung ist bei ausgedehnten Resektionen und/oder potentieller Vorschädigung der Leber essentiell. Die Anpassung des Operationszeitpunktes (z.B. nach Chemotherapie) bzw. der Operationstaktik (PVE, ALPPS, parenchymsparende Resektion) bei kritischer Funktion des funktionellen Restlebervolumens ist durch den LiMAx-Test jederzeit objektivierbar. Durch verlässliche Volumen- und Funktionsplanung kann die Morbidität und Mortalität in der Leberchirurgie gesenkt werden.
Die Operationsplanung mit Hilfe der Volumetrie und des LiMAx-Tests ist bereits publiziert worden (Stockmann M, Lock JF, Malinowski M, et al. The LiMAx test: a new liver function test for predicting postoperative outcome in liver surgery. HPB (Oxford). 2010;12(2):139-46)
Der LIMAX-Test erlaubt zusammen mit der quantitativen Bestimmung des funktionellen Restlebervolumens und dessen Funktion vor leberchirurgischen Eingriffen die Einschätzung der perioperativen Mortalität und auch das postoperatives Monitoring der Erholung (Regeneration der Leber) wird dadurch möglich, ebenso das
Monitoring im Bereich der Intensivtherapie (Sepsis, akutes Leberversagen).
Ferner ermöglicht der LIMAX-Test das Follow-Up Monitoring von chronischen Lebererkrankungen unter einer Therapie,die Diagnose und Einteilung der alkoholbedingten vs.non-alcoholic Fettleber und die Dosis-Anpassung von Medikamenten z.B. bei Chemotherapien .
Der LIMAX-Test und die Lebervolumetrie macht Leber-Chirurgie sicherer und die gesamte Einschätzung der Leber vor belastenden Behandlungen kalkulierbar.
Die Anschaffung des LIMAX-Laborgeräts kostet 70000 Euro, ein einzelner LIMAX-Test kostet mit dem Verbrauchsmaterial ca. 300 Euro.